"Teurer Freikauf - Das Geschäft mit den Rumänien-Deutschen" - Kritische Anmerkungen zu einer missratenen „Phoenix“-Sendung der ARD
Im neuen Glanz -
Die "Folterkammer der Securitate" am damaligen Leontin Salajan- Boulevard in Timisoara heute.
Nach "Stalinisten" benannte Straßen wurden inzwischen in Rückbesinnung auf bürgerliche und monarchische Traditionen umbenannt,
Fassaden wurden neu gestrichen -
das Innenleben der Gebäude ist aber oft noch identisch mit dem der Geist der alten Zeit.
Polizei und Miliz (links im Bild) nutzen das Bollwerk der Unterdrückung und massiver Menschenrechtsverletzungen weiter.
Um
es vorweg zu nehmen: Die „Phoenix“-Sendung vom 25. August 2013 war für mich eine
riesige Enttäuschung, nach meiner Auffassung schlecht konzipiert, schlecht recherchiert, schlecht
ausgeführt und mit diversen Fehlern behaftet.
Die Erwartungen einiger Insider waren hoch.
Würde
die Dokumentation viele der noch offenen Fragen zum modernen Sklavenhandel
zwischen Ost und West beantworten?
Was wurde aus den Zehntausenden von D-Mark, die
Gutgläubige und Geprellte den Mittelsmännern der Securitate anvertrauten, um
schnell in den Westen zu gelangen?
Landete das Schmiergeld der vielen Banater Schwaben auf den Privat-Nummernkonten
des roten Führers und seines Clans irgendwo im westlichen Ausland?
Bereicherten sich einzelne korrupte, kriminelle Securitate-Führungskräfte
und ihre Handlager aus der KP?
Was war offiziell zwischen zwei souveränen Staaten ausgehandelt
und vertraglich geregelt?
Wichtige Daten und Fakten dazu fehlten in dem
Bericht, der auf dem angeblichen „Auspacken“ des im Auftrag der Bundesregierung
agierenden Anwalts Hüsch und seines rumänischen Gegenspielers und
Geschäftspartners aufbaut, die beide je ein „Buch“ darüber veröffentlichten.
Was macht die Film-Autorin und ARD-Korrespondentin Susanne Glass aus der
brisanten Materie?
Ein wirres Sammelsurium, das eher in die Desinformationsabteilung
der Stasi passt als in eine aufklärende Dokumentation des öffentlich-rechtlichen
Informationskanals „Phönix“.
Guter Journalismus ist das Präsentierte jedenfalls nicht!
Eine ausführliche Darstellung der - mir aus zahlreichen Opfer-Zeugnissen bekannten Materie, findet der Interessierte hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Freikauf_von_Rum%C3%A4niendeutschen
Guter Journalismus ist das Präsentierte jedenfalls nicht!
Eine ausführliche Darstellung der - mir aus zahlreichen Opfer-Zeugnissen bekannten Materie, findet der Interessierte hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Freikauf_von_Rum%C3%A4niendeutschen
Wer kommt in der Sendung überhaupt zu Wort?
Etwa ein „neuer“ Bundesbürger, der die berüchtigten
Schmiergelder aufbringen musste, um diese hohe Summe dann lange Jahre seines
Lebens abzuarbeiten?
Kuriere, die den Deal einfädelten und dabei gut verdienten?
Opfer, die nur zahlten und dann leer ausgingen?
Nein, die Akteure sind andere!
Da taucht etwa eine Herta Müller auf,
eine
Antideutsche , die ihren deutschen Landsleuten mit einem die deutsche Lebensart
und die deutsche Kultur verhöhnenden Bändchen in den schwersten Stunde des
aufkommenden Exodus in den Rücken fiel (1982).
Im
Gegensatz zu ihren Landsleuten im Banat und in Siebenbürgen wollte Herta Müller
damals überhaupt nicht auswandern, schon gar nicht in die Bundesrepublik, der sie mit Skepsis begegnete.
Sie jetzt zum Prototypen des Auswanderers aus dem
Banat zu stilisieren, erscheint mir grotesk.
Die eingestreuten Statements von Herta Müller kommen
ohne Jahreszahl daher.
Weshalb?
Weshalb?
Man darf rätseln, wann sie was gesagt hat und in
welchem Kontext.
Im Gegensatz zu ihren Landsleuten im Banat und in
Siebenbürgen musste Herta Müller dann später, als sie nach zwei BRD- bzw. Westreisen
zu neuen Anschauungen gekommen war, nicht jahrelang „auf den Ausreise-Pass“
warten.
Sie durfte ziehen – mit dem Segen der RKP - mit ihrem Gatten aus der KP und anderen Poeten aus
der gleichen KP Ceausescus.
Davon hört man kein Wort in dem Filmbericht.
Kritische Haltung? – Fehlansage!
Wer wird noch interviewt, kompetent befragt?
Meine Landsleute aus dem vor den Toren von Temeschburg gelegenen Sackelhausen (Sacalaz) waren "Vorreiter" dieser Schmiergeldzahlen ( an der "Gärtner"). Man hätte sie befragen können.
Sie bekommt man in dem Filmbeitrag nicht zu Gesicht - und das Banat auch nicht.
Meine Landsleute aus dem vor den Toren von Temeschburg gelegenen Sackelhausen (Sacalaz) waren "Vorreiter" dieser Schmiergeldzahlen ( an der "Gärtner"). Man hätte sie befragen können.
Sie bekommt man in dem Filmbeitrag nicht zu Gesicht - und das Banat auch nicht.
Dafür schmückt man sich mit bekannten Namen!
Da taucht ein weiterer moralischer Versager auf, ein Zurückgebliebener aus Siebenbürgen:
Da taucht ein weiterer moralischer Versager auf, ein Zurückgebliebener aus Siebenbürgen:
Der Verräter Eginald Schlattner,
ein sonderbarer Prediger und Zeitgenosse, der seine Schriftstellerkollegen Hans Bergel, Scherg, Birkner, W. von Aichelburg der Securitate preisgab, der sie 1959 denunziatorisch ans Messer lieferte und für Jahre in stalinistische Gefängnis brachte.
ein sonderbarer Prediger und Zeitgenosse, der seine Schriftstellerkollegen Hans Bergel, Scherg, Birkner, W. von Aichelburg der Securitate preisgab, der sie 1959 denunziatorisch ans Messer lieferte und für Jahre in stalinistische Gefängnis brachte.
Niemand fragte ihn in dem Film-Bericht, weshalb gerade Schlattner seinerzeit in der roten Hölle zurückblieb!
Ferner gibt ein 1980 legal ausgereistes Pfarrer-Ehepaar
aus Siebenbürgen Auskunft, ein Hirte, der seine Herde verließ, weil die eigene
Tochter angeblich Psychoterror in der Schule zu erdulden hatte,
ebenso ein beliebiger zurückgebliebener Siebenbürger,
der nach dem Hörensagen Schmiergeld-Aktionen schildert.
Altes
und neues Filmmaterial wird unkommentiert und rücksichtslos und journalistisch unverantwortlich gemischt,
was mehr verwirrt als erklärend wirkt.
Jede Chronologie, jede historische
Entwicklung ist überflüssig.
Billige Effekthascherei hat Priorität – ebenso wie das das triviale Detail (Jagdflinten-Geschenk an Ceausescu) vor den Fakten (etwa die Reise von Kanzler Helmut Schmidt 1978 nach Rumänien und die Aushandlung des Ausreisekontingents von 10 000 Staatsbürgern deutscher Nationalität aus dem sozialistischen Rumänien in die BRD – gegen Cash.
Billige Effekthascherei hat Priorität – ebenso wie das das triviale Detail (Jagdflinten-Geschenk an Ceausescu) vor den Fakten (etwa die Reise von Kanzler Helmut Schmidt 1978 nach Rumänien und die Aushandlung des Ausreisekontingents von 10 000 Staatsbürgern deutscher Nationalität aus dem sozialistischen Rumänien in die BRD – gegen Cash.
Der
durch und durch unkritische Bericht, in welchem die
wenigen angeblichen „Experten“ nur Binsenweisheiten von sich geben, sucht man Bürgerrechtler, antikommunistische
Dissidenten, Flüchtlinge etc. vergebens.
Sie erkämpften ihre individuelle Freiheit und die allgemeine politische noch dazu.
Sie erkämpften ihre individuelle Freiheit und die allgemeine politische noch dazu.
Die Zuschauer erfahren auch nicht, dass mehr als 100
000 der ca. 400 000 Deutschen aus Rumänien erst nach der Revolution von 1989
bzw. dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und der damit verbunden Grenzöffnung
in den Westen kamen.
Sie wurden vorher nicht freigekauft, weil keiner für sie
das Schmiergeld aufbringen wollte oder konnte!
Den letzten beißen die Hunde!
Die Gründe und Auswirkungen des Exodus bleiben unerörtert.
Wen wundert es, wenn die Rumänen – unabhängig von
ihrem roten Diktator - insgesamt in dem Beitrag schlecht wegkommen.
Vielleicht hätte die Autorin – wie in dem
nachgerechten weiteren Beitrag aus ihrer Film-Werkstatt – doch lieber über das Krautwickel-Zubereiten, über rumänische Sitten und Bräche oder heitere Friedhöfe berichten sollen, als über ein Subjekt, von dem sie wirklich keine
Ahnung hat.
http://presse.phoenix.de/dokumentationen/2013/07/20130703_EA_MAS_Rumaenien/20130703_EA_MAS_Rumaenien.phtml
http://presse.phoenix.de/dokumentationen/2013/07/20130703_EA_MAS_Rumaenien/20130703_EA_MAS_Rumaenien.phtml
In meinem fünf Jahre verspätet erschienenen Werk „Allein in der Revolte“ wurde die
Thematik ebenfalls abgehandelt,
und zwar „kritisch“ in den Kapiteln:
Eine Jugend im Banat", (2013)
Copyright: Carl Gibson
Fotos von Carl Gibson: Monika Nickel
(Ausarbeitungsstand 2008, online veröffentlicht Januar 2011, in Druck Februar 2013.)
„Heim
ins Reich“ - Bundeskanzler Schmidt als Katalysator des Exodus
Ein gutes halbes Jahr vor der Ceauşescu-Visite in
Sackelhausen hatten die Gendarmen schon einmal nach mir gefahndet. Im Vorfeld
des Rumänienbesuchs von Bundeskanzler Helmut Schmidt, der kurz nach der
Jahreswende 1977/78 anstand, sollte ich bereits in vorbeugende Haft genommen
werden. Das fühlte ich damals irgendwie, denn es gab einige Anzeichen, dass
nach mir gesucht wurde. Vermutlich rechnete die „Securitate“ mit der
Möglichkeit, dass militante und entschlossene Angehörige der deutschen
Minderheit den persönlichen Kontakt zum deutschen Kanzler forcieren würden, vor
allem in Kronstadt, wo eine Station eingeplant war, was die Sicherheitsbeauftragten
vor Ort und die Staatsführung in eine peinliche Situation versetzt hätte. Mich
zählten sie offensichtlich zu jener Gruppe. Die „Securitate“ war vorgewarnt.
Schließlich waren die auch in Teilen Rumäniens vernommenen
„Willy-Willy-Rufe“ der begeisterten Menge in Erfurt noch
nicht vergessen.
Helmut Schmidt, von dessen Vergangenheit als loyaler
Wehrmachtsoffizier und Patriot man in unseren Reihen wusste und dessen seriöse,
kühl nordische Art des Machers generell geschätzt wurde, stand bei uns
Deutschen hoch im Kurs, obwohl er ein Sozialdemokrat war. Denn Kanzler Schmidt
hatte zu keinem Zeitpunkt die Mitverantwortung der Bundesrepublik am Schicksal
der deutschen Minderheiten im Osten infrage gestellt. Weniger bekannt war der
Aspekt, dass der Kanzler zu Ceauşescu überhaupt kein Verhältnis finden konnte
und dass er den letztendlich nur auf Bukarest beschränkten Staatsbesuch mehr
mit pragmatischem Widerwillen als mit Lust absolvierte.
Als Helmut Schmidt, von Persien kommend, im Januar
1978 auf dem Flughafen Otopeni eintraf, waren die Beziehungen beider Staaten
genauso frostig wie das Außenwetter auf den winterlichen Straßen.
Es herrschte
Eiszeit.
Deshalb galt es, mit der bekannten, später kontroversierten
Scheckbuchdiplomatie, die Außenminister Hans Dietrich Genscher seit Jahren
erfolgreich anwandte, für ein Mindestmaß an Tauwetter und klimatischer
Entspannung zu sorgen. Für die „Securitate“ vor Ort war die Gesamtlage im
Vorfeld des Besuches eskaliert. Jederzeit bestand die Chance unerwarteter Protestaktionen.
Da mein versuchtes Mitwirken an der von Goma gestarteten Menschenrechtsbewegung
offen gelegt hatte, dass ich vor öffentlichen Protestaktionen nicht
zurückschreckte, sollten solche Eventualitäten bereits im Vorfeld verhindert
werden. Als sich dann einige Anzeichen verstärkten, dass nach mir gefahndet
wurde, entschloss ich mich spontan zum Untertauchen. Es war die richtige
Entscheidung. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Gendarm wieder an die Tür
klopfte, konnte ich mich intuitiv dem Zugriff und der drohenden Präventivhaft
entziehen, die Gefahr vorausahnend wie ein instinktbestimmtes Tier im Wald, das
flieht, bevor es den Jäger wittert. Kurz entschlossen eilte ich zum Bahnhof und
bestieg dort einen Zug, der mich wegbringen sollte - in Sicherheit vor der
Sicherheit.
Also machte ich mich auf und davon und floh in die
Abgeschiedenheit der Banater Berge; genauer in das kleine, verschlafene
Dörflein Wolfsberg, das in idyllischer Landschaft von Siedlern aus der Zips
angelegt worden war. In jener archaischen Einöde, wo bereits in früheren Jahren
unsere Eltern gelegentlich ihren Urlaub verbracht hatten, harrte ich aus; vom
für Anmeldungen zuständigen Ortspolizisten unbemerkt, bei kernigem Brot, bei
Wurst und Speck und eingehüllt in dicke Federdecken wie daheim. Dort wartete
ich in selbst gewählter Isolation ab, bis der Staatsbesuch, von dem ich nicht
wissen konnte, wie er verlaufen werde, abgeschlossen war.
Menschenhandel und Kopfgeld
Das Ergebnis dieses für die deutsche Minderheit sehr
wichtigen Arbeitsbesuches war ein offiziell nie ganz offen gelegter bilateraler
Vertrag, in welchem die Bundesrepublik Deutschland dem hoch verschuldeten,
wirtschaftlich bereits angeschlagenen Rumänien ein Darlehen in der
Größenordnung von mehreren Hundert Millionen Deutsche Mark bei niedriger
Verzinsung einräumte.
Die Bundesrepublik, seinerzeit innenpolitisch in der
Auseinandersetzung mit der militant agierenden „Baader-Meinhof-Bande“, wirtschaftlich selbst in einer
Hochzinsphase, doch als Exportnation erfolgreich, verknüpfte die Kreditvergabe
ebenso diplomatisch diskret mit Ausreiseerleichterungen für Deutschstämmige im
Rahmen der Familienzusammenführung.
Statt der dahinplätschernden,
unsystematischen und zufälligen Ausreise von Einzelnen, die jederzeit versiegen
konnte, sollten nunmehr Jahr für Jahr etwa zehntausend Angehörige der deutschen
Minderheit, die gerade noch zwei Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte, das
Land in Richtung Bundesrepublik verlassen dürfen - zehn Jahre lang.
Die
Gegenleistung der Bundesrepublik bezifferte sich auf ein makabres Kopfgeld von
lächerlichen zehntausend Mark an Zinsverzicht; eine abstrakte Zahl, die in
ihrer Höhe noch grotesker erscheint, wenn man sie mit dem zehnfachen Betrag
konfrontiert, den die Bundesrepublik für den Freikauf von Bürgern aus dem
zweiten deutschen Staat investierte, die oft nur gewöhnliche Kriminelle waren,
die zur Zersetzung des Westens seitens der DDR-Regierung abgeschoben wurden.
Der tatsächliche „Wert eines Menschen“ bezifferte sich auf ein paar Tausend Deutsche
Mark. Ich selbst war faktisch weniger wert als eine bessere Armbanduhr aus der
Schweiz, ein Rennpferd, ein Zuchtbulle oder ein deutscher Kleinwagen, der in
unzähligen Stückzahlen in Wolfsburg oder Stuttgart vom Fließband lief.
War die viel verachtete und in den offiziellen
Geschichtsbüchern gebrandmarkte Sklavenhaltergesellschaft wieder angebrochen?
Waren wir wieder auf einem Menschenmarkt, wo die Piraten der Neuzeit ihre kaum
erst eingefangene Frischware meistbietend verhökerten?
Waren wir irgendwo
fernab in Schwarzafrika?
Wie viele Kamele wurden für eine holde Jungfrau aus
dem Banat geboten?
Oder lebten wir doch im Europa der Nachkriegsepoche, in
einer Zeit, wo nach den schrecklichen Tagen der Vernichtung „das Völkerrecht
auf den ethischen Prinzipien der Menschenrechte“ begründet worden war, kurz vor
dem Ausklang des historisch so verhängnisvollen Zwanzigsten Jahrhunderts?
Deutschland wollte diesen vertraglich geregelten und
geordneten Freikauf schon aus demografischen und logistischen Gründen. Ein
ungeordnetes und gehäuftes Einwandern hätte Schwierigkeiten verursacht.
Die
zahlreichen, gut ausgebildeten, deutschen Fachkräfte, Handwerker und Akademiker
konnten mühelos von einem Tag zum anderen in die Gesellschaft der
Bundesrepublik eingegliedert werden. Für Deutschland waren diese in jeder
Hinsicht „fertigen“ Menschen ein vielfacher Gewinn,
während sie für das noch rückständiger werdende Balkanland einen schwächenden
Aderlass bedeuteten, der nicht mehr angemessen kompensiert werden konnte.
Ceauşescu,
der ein glühender Nationalist war, stets daran interessiert die Zahl seiner
Rumänen rapide anwachsen zu lassen, sah jedoch nicht nur den Geldsegen. Mit der endgültigen Aussiedlung der deutschstämmigen Siebenbürger
Sachsen und Banater Schwaben in die Bundesrepublik löste er auf einen Schlag
ein Minoritätenproblem, das er mit seiner wahnwitzigen Zwangssystematisierung
nicht in den Griff bekommen hatte. Zurück blieben nur noch die Ungarn, deren
Bekämpfung darauf hin besser fokussiert und effizienter betrieben werden
konnte. Dieser zwischenstaatliche Vertrag, an den sich beide Staaten
tatsächlich hielten, war der Auftakt zu einem „unaufhaltbaren Exodus“, zur
systematischen „Entsiedlung des Banats“ und des schon vor achthundert Jahren
von Deutschen besiedelten „Siebenbürgen“.
Eine unumkehrbare Ausreisewelle kam in Gang, die
eine Eigendynamik entwickelte und bald zur „Torschlusspanik“ führte, bei der keiner der Letzte sein
wollte. Die meisten Ausreisewilligen wurden darüber hinaus unter Ausnutzung
dieser Stimmung von gewissen geschäftstüchtigen Systemprofiteuren, die allesamt
Mitarbeiter der „Securitate“ waren, motiviert, die schon offiziell bezahlte
Prämie zu erhöhen; sie noch einmal freiwillig zu verdoppeln, um sich damit noch
rechtzeitig einen der knappen Plätze im Ausreiseexpress nach Westen zu sichern.
Diese Untugend, der sich später kaum noch jemand entziehen konnte, führte dazu,
dass sich die Menschen über Verwandte im Westen die nötigen Devisen
beschafften. Sie verschuldeten sich dadurch privat auf Jahre hinaus, um das
Schmiergeld korrupten Geheimdienstmitarbeitern und Staatsbeamten aufzudrängen,
„ohne Beleg oder Quittung“, ohne jede Möglichkeit, es in
veränderten Zeiten zurückfordern zu können.
Einige erreichten mit dem teuer
erkauften „Geschwindigkeitszuschlag“ zwar etwas schneller
die persönliche Freiheit; andere hingegen, die ihre
geliehenen Summen blauäugig Trittbrettfahrern anvertrauten, blieben ohne
Gegenleistung auf ihren hohen Schulden sitzen und konnten erst nach dem
Zusammenbruch der Diktatur ausreisen.
Für viele Landsleute war der später abzutragende
Schuldenberg eine Last, die eine erschwerte Eingliederung zur Folge hatte und
nicht selten zu einer von Anfang an verbauten Existenzperspektive führen
sollte.
Gemessen an jenen, die dank ihres oppositionellen Engagements ausreisen
durften, waren alle diese materiell belasteten Menschen im Grunde unfrei und
nur noch bedingt in der Lage, den Weg der Selbstverwirklichung in Freiheit zu beschreiten.
Auszug aus:
"Allein in der Revolte.
Eine Jugend im Banat", (2013)
Copyright: Carl Gibson
Fotos von Carl Gibson: Monika Nickel
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