Leseprobe,
aus Carl Gibson, Symphonie der Freiheit
J’accuse!
Viel schwerwiegender allerdings ist die Tatsache, dass
die Unterzeichner des Beschwerdeschreibens allesamt den Status quo im bereits geistig wie ökonomisch dahinsiechenden
Rumänien nicht in Frage stellen - und
dass sie sogar, und da rebelliert es in mir, die Führungsrolle der Kommunistischen Partei Rumäniens nicht
anzweifeln, sondern diese merkwürdige
Rolle der totalitären Monopolpartei sogar explizit anerkennen.
In dem Brief an Pacoste (Heimsuchung! Sic!) heißt es
unmissverständlich weiter: Wir haben uns
an Sie gewandt, weil wir der Meinung sind, dass die rumänische Kommunistische
Partei die führende Kraft unseres Landes ist.
Ein Skandal! Und überaus erhellend! Doch es geht noch
weiter:
Es wird immer
behauptet, dass der Sicherheitsdienst eine der Partei untergeordnete Behörde
ist, und nicht umgekehrt.
Wedelt der Hund mit dem Schwanz - oder der Schwanz mit
dem Hund? Und ist nur der Schwanz verwerflich, nicht die gesamte Bestie? Dann
stellen die Dichter fest: Wir meinen,
dass die Einschätzung eines literarischen Textes und die Äußerung eines Werturteils
nicht den Offizieren des Sicherheitsdienstes zugestanden werden darf, sondern
nach literarisch-ästhetischen Kriterien vorgenommen werden muß und der
kompetenten Literaturkritik überlassen bleiben muß. So weit, so gut! Im
Klartext bedeutet dies aber aus der Sicht
eines Dissidenten aus der Zelle weit mehr als die de facto Akzeptanz des Machthabers
vor Ort! Es bedeutet leicht pointiert ausgedrückt nicht weniger als: Liebe
Partei!
Beschütze uns vor deinen Bluthunden und pfeife, bitte,
deine Rottweiler zurück, damit wir staatsloyalen
Schriftsteller unsere Literatur nach unseren Vorstellungen produzieren
können - als konstruktive Kritik bei uneingeschränkter
Anerkennung der Führungsrolle der
Rumänischen Kommunistischen Partei unter der weisen Führung von Diktator
Nicolae Ceauşescu und seiner ebenso genialen Gattin Elena Ceauşescu. Wir
sozialistischen Schriftsteller der neuen Generation werden dich dann weiter so
lieben wie bisher und deine Führungsrolle nie anzweifeln, obwohl wir deine verbrecherische Geschichte kennen und deine Art, Geschichte einfach umzuschreiben …
Ist das Dissidenz?
Ist das etwa jenes Regimekritische,
das - nach Wagners Auskunft- Gottvater Berwanger bis zum Tag seiner Fuga in den
verschmähten Westen ermöglicht haben soll? Und entsprach das jener Vorstellung loyaler Kritik, jener Fiktion, von der
Richard Wagner später ebenso sprach?
Verkannte diese
Haltung nicht die tatsächlichen politischen Bedingungen in einem gescheiterten
sozialistischen Staat, der inzwischen zur zynischen Diktatur verkommen war?
Eine totalitäre Partei, die im späteren Bericht zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien, als ungesetzlich und verbrecherisch eingestuft wurde, als integren Dialogpartner
anzuerkennen und nur die böse Securitate
als Schurken auszumachen, zeugt von
einer fundamentalen Verkennung der tatsächlichen Machtverhältnisse im Land!
Die Securitate
war nur der Handlanger, das exekutive Repressionsinstrument der Kommunistischen
Partei, die den politischen Willen verkörperte und die tatsächliche politische
Macht.
Wie konnte soviel gesellschaftspolitische Naivität
möglich sein - in sieben Köpfen, die allesamt in der sozialistischen Wirklichkeit
lebten? Ein Unding!
Wie konnte loyale
Kritik im Umgang mit einer verbrecherischen Organisation möglich sein?
Während den
eigenen Landsleuten „latenter Faschismus“ vorgehalten wurde, vor allen den
vielen, die sich nicht wehren konnten, weil ihnen das Instrumentarium fehlte,
und den gleichen deutschen Landsleuten eine Mitverantwortung am NS-Staat, an
dessen Außenpolitik und Kriegsführung angelastet wurde, vergaßen die gleichen Akteure
des rechten Lichtes und Apostel der Moral die Verbrechen des Stalinismus und
Kommunismus vor ihrer Haustür!
Das ist aus meiner Sicht tiefste Heuchelei! Ecrasez l’infame, kann ich da nur mit Voltaire
ausrufen!
Es fällt mir schwer zu glauben, dass kritische Köpfe
wie William Totok diesen Text damals so mittrugen. Und ich frage mich, wer ihn
aufsetzte!?
Als Kind Stalin
bewundern und im Loblied der Partei für alles danken! Das war etwas! Doch als
reife Erwachsene zum Teil mit Hafterfahrung, als Hochschüler und elitäre
Avantgardisten den Totalitarismus von Rechts bekämpfen zu wollen, um
gleichzeitig den Totalitarismus von Links billigend zu dulden, das war etwas fundamental
anderes! Eine Haltung, die ich nie verstehen konnte und werde: das war
schlechthin Inkonsequenz und schlechter geistiger wie politischer Stil!
Oder neigten Intellektuelle und solche, die dieses
Monopol nur für sich reklamierten, a priori zur linken Seite - wie mir es mein
aufgeklärter Nachbar frühzeitig einschärfen wollte - und aus dieser Einseitigkeit
heraus auch zu mangelnder Ausgewogenheit und Kurzsichtigkeit?
Aus meiner ankämpfenden wie kompromisslosen Sicht war
diese damals schon identische unkritische Haltung Gift und moralisches Versagen
zugleich, weil eigentliche Vorbilder die falsche Ikone anbeteten: das Götzenbild
von Hammer und Sichel auf rotem Hintergrund! Gleichzeitig wertete ich die geistige Existenz in Kompromiss, Duldung
und Mitläufertum als einen mehr oder weniger gezielten Dolchstoß, der meine
Absetzung von dem menschenverachtenden System des Kommunismus hintertrieb und
die eigene Rebellion schwächte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen