Vom Sturz der Ikonen - Fakten oder Desinformation und Manipulation?
Weniger erfreulich aus der Sicht des Autors war die Tatsache, dass im Verlauf der Ausarbeitung des Manuskripts scheinbar konstante Ikonen der Freiheit und Träger der großen Idee ins Wanken gerieten und taumelnd vom Podest stürzten - auch dies als Folge der Aufklärungsarbeit der CNSAS, der in bestimmten Fällen vertraut werden muss, obwohl eine Beweisfabrikation durch die Securitate und ihre Nachfolger nie ganz ausgeschlossen werden kann. Eine aus alter Solidarität der Dissidenten untereinander begründete Skepsis ist nach wie vor angesagt, wenn es um belastende Aussagen gegen ehemalige Opponenten und Freiheitskämpfer geht. Doch die massive Enttäuschung wirkt stärker und ist nicht aus der Welt zu schaffen.
Ion Caraion, der den regimekritischen Schriftstellerkollegen Nicolae Steinhardt an die Securitate verraten haben soll, fiel partiell vom Sockel. Hatte er als vollendetes Chamäleon und hinter einer perfekten Maske verborgen auch mich getäuscht? Ich kann es nicht glauben; doch andere ehemalige Bürgerrechtler und kritische Journalisten sind anderer Meinung. Und, neben Caraion, gut getarnt und virtuos agierend, Mihnea Berindei, mein Gewährsmann von der Liga für Menschenrechte in Paris? Er soll bereits 1968, Jahre vor der als Flucht getarnten Ausreise in den Westen, von der Securitate angeworben worden sein, besagen CNSAS-Akten, die heute über das rechte Forum Asociatia Civic Media im Internet verbreitet werden. Die Plattform wurde angeblich von den gleichen Leuten gegründet, die Cană und andere gezielt für ihre Zwecke missbrauchten. Kann, darf und muss man solchen Aussagen glauben?
Oder sind es nur Vehikel der Desinformation, gestreute Verleumdungen boshafter Art, die Berindei genauso zu diskreditieren suchen wie Vladimir Tismăneanu, den Koordinator der Kommission, die Person, die ihn als Experten berufen hat? Nachdem in Berlin die Mauer gefallen war, versuchten gut getarnte Mitarbeiter der Staatsicherheit wie jener vermeintliche Sozialdemokrat Böhme sich an die Spitze der demokratischen Erneuerung zu setzen, um so das Heft des Handels in der Hand zu behalten, nicht zuletzt zum Schutz ihrer belasteten Kollegen aus dem Geheimdienst der DDR. Sie agierten virtuos und dreist, bis sie endlich enttarnt wurden. Weshalb sollte es in Rumänien anders sein?
Mihnea Berindei, der in Paris bei der Liga für Menschenrechte an der Quelle saß, dem die exilierten Menschenrechtler und Dissidenten blind vertrauten, obwohl er der Sohn eines linientreuen Karriere-Historikers war, soll es seinen konspirativen Genossen aus dem DDR-Geheimdienst gleichgetan haben, indem er als Gründungsmitglied die Gruppe für den Sozialen Dialog GDS ins Leben rief - so der dunkle Vorwurf aus dem rechten Lager der Asociatia Civic Media. Erst spät, sehr spät, als er als Mitglied der Tismăneanu-Kommission noch mehr in den Blick der Öffentlichkeit rückte, sei er dann von der CNSAS durchschaut und in seinem öffentlichen wie verborgenen Wirken gestoppt worden.
Vermutlich und höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei jedoch nur um verleumderische Unterstellungen, die heute in der politischen Landschaft Rumäniens alltäglich sind. Verantwortlich dafür sind Experten der Desinformation, alte Mitarbeiter der Securitate, die mit ihrem demagogischen Führer Vadim Tudor im rechten Lager Zuflucht fanden und von dort aus agieren. Nur kann sich das auch heute noch exilierte Opfer schlecht wehren.
Neben der Bürgerlichen Allianz, der ehemals exilierte Regimegegner angehören wie Victor Frunză, ein Dissident, der im dänischen Exil überlebte, bevor er nach der Revolution wieder heimkehrte, ist es auch heute noch vor allen die GDS, Grup pentru dialog social, die sich als lose Bürgervereinigung für den notwendigen Demokratisierungsprozess in Rumänien einsetzt.
Berindei gehörte auch zu ihren Gründungsmitgliedern - genauso wie Sorin Antohi, ein kritischer Essayist und Schriftsteller aus Iaşi, zeitweise Mitglied der Aufarbeitungskommission, der sich letztendlich als wirklicher Denunziantheraus kristallisierte. Antohi stellte sich selbst der Öffentlichkeit und berichtete ausführlich über seine Verstrickungen und Denunziationen seit der Schulzeit. Sein Straucheln belastete sicher auch Berindei und die von Präsident Băsescu eingesetzte Kommission zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien.
Maßstab des Geschichtsaufarbeitungsprozesses ist nach wie vor die Proklamation von Temeschburg, deren Forderungen ich über den FAZ-Abdruck hinaus auch sonst gleich nach ihrer Verkündung im deutschsprachigen Westen bekannt zu machen suchte. Die Intellektuellen aus meiner Geburtsstadt Temeschburg nehmen auch heute noch eine Vorreiterstellung ein und fordern, weitgehend über die GDS und anderen Gruppierungen, in nationalen und internationalen Appellen weiterhin die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und den weiteren Demokratisierungsprozess des Landes im Hinblick auf eine vollwertige EU-Integration. Wer ihre Appelle ausführlich studiert, nicht zuletzt den jüngsten, der auf die moralische Solidarität der Europäischen Union hofft, wird feststellen, dass noch viel an Aufarbeitung zu leisten ist.
Das Wanken und partielle Stürzen mancher Ikone, die ich als Felsen in der Brandung angesehen hatte, berührte mich bis zuletzt und verwies auf das flächendeckende Vereinnahmungsnetz des Repressionsapparates. Wer war denn überhaupt noch integer - und wer ist es noch? Hatte die Securitate, die selbst die Katholische Kirche infiltrierte, letztendlich alle korrumpiert und alles mit ihrem Spinnennetz überzogen? Welche Autorität blieb noch übrig - und wer wird als nächster enttarnt? Wie gut, dass ich bereits als Zwanzigjähriger ziehen durfte!
Die Vergangenheitsbewältigung ist gnadenlos - und manch scheinbar hehre Geister holt die eigene Vergangenheit ein, vor allem jene, die auf irgendeine Weise mit der Macht verstrickt waren. Unschuldig und unbedeutend bleiben jene, die außerhalb standen, bis heute.
Eine wahrhaftige Vergangenheitsbewältigung ist aber auch heilsam. Erst nach dem abgeschlossenen Katharsis-Prozess wird aus Asche neues Leben entstehen. Rumänien setzt heute auf den Pluralismus der Meinungen, die auf der Suche nach Wahrheit im Widerstreit liegen. Das ist gut so. Doch Rumänien braucht auf seinem Weg in die Zukunft zwar diese Kultur der Vielfalt und den demokratischen Pluralismus auch im Politischen, der 1945 nach der Machtübernahmen einer kleinen kommunistischen Clique für 45 Jahre abgewürgt worden war - aber es benötigt dringend demokratische Verhaltensweisen, die von der Würde des Menschen ausgehen und getragen werden.
Symphonie der Freiheit
Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur
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