Tragik und Opfer am Wegrand –Klage nach der Klage
Auf solche Weise und mit infamen Lügen aller Art reduzierten die kommunistischen Machthaber in Bukarest die völkerrechtliche Disputation zu einer Farce. Ceauşescu witterte überall nur Feinde, imperialistische Kräfte, die sein Land destabilisieren wollten. Wir waren in seinen Augen nur Agenten fremder Mächte, die das Zerstörungswerk der Amerikaner zu erfüllen halfen.
Also musste alles, was nicht sein durfte, konsequent negiert werden, auch gegen jede Logik. Und jede objektive, vielfach verifizierbare Wahrheit sollte als Lüge ausgelegt werden. Selbst in bestellten Machwerken williger Ghostwriter, die es allerdings vermieden, auf jene Bereiche einzugehen, wo die Beweislast erdrückend war - wie im Fall der hier ausgiebig beschriebenen Freien Gewerkschaft in Temeschburg! Sie war keine Fiktion!
Diskreditierung, Diffamierung und Kriminalisierung waren Teil des Systems. Wen wunderte es, wo doch jedermann wusste, welche Werte im so genannten Reich des Bösen die Tagespolitik bestimmten. Der Kalte Krieg tobte noch in den Köpfen - und Michael Gorbatschow war noch nicht im Amt.
Wir alle aus Temeschburg hatten in dieser Groteske noch Glück gehabt und profitierten überproportional von der Vertuschungspolitik Ceauşescus, der unseren speziellen Fall als deutsche Minderheitler mit einer vielleicht schützenden Hand dahinter nicht an die große Glocke hängen wollte. Deshalb wohl kamen wir mit einer nur halbjährigen Haft davon und durften allesamt Rumänien verlassen.
Das Wahren des Scheins rettete uns das Leben und versetzte uns in die Freiheit, während genuine Rumänen aus dem Landesinneren für ganz bescheidene Oppositionsinitiativen in der Folgezeit zu drakonischen Haftstrafen von fünf bis zu zehn Jahren verurteilt wurden. In ihrem Fall griff das Repressionsorgan Securitate hart durch und wütete nach allen Regeln der Unterdrückungskunst.
Viele Andersdenkende, die weniger bekannt oder ganz unbekannt waren, verschwanden für lange Zeit in psychiatrischen Anstalten, Gefängnissen oder kamen bei rätselhaften Unfällen ums Leben. Offizielle Nachforschungen waren wie in jeder Diktatur illusorisch.
Andere Dissidenten und Gewerkschaftssympathisanten wie Carmen Popescu und Nick Dascălu scheiterten - mit dem Bestreiten des alltäglichen Lebens beschäftigt oder aus sonstigen Gründen, die keiner ergründen wird, weitgehend anonym in der Verbannung.
Zu Nick Dascălu hatte ich 1981 noch Kontakt. Nachdem er New York erreicht hatte, berichtete er in einer rumänischen Exilzeitung sehr umfassend über die SLOMR-Gründungen in Bukarest und Temeschburg. Auf meine Anregung hin teilte er auch der Confederation und über diese der UNO seine Sicht der Gründungsabläufe mit, ferner alles, was er zusätzlich zu dem Oppositionsthema wusste, um so die Klage faktisch weiter zu untermauern.
Dascălu blieb in New York noch einige Zeit aktiv und begründete dort im Exil ein Komitee der Wahrheit über Rumänien, das vor allem die amerikanische Öffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen unterrichten sollte. Doch dann verlor sich plötzlich seine Spur in den Weiten Nordamerikas für immer. Auch er - ein Opfer? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, denn das klanglose Abtauchen entsprach weder seinem Wesen noch seinem Charakter.
Viele aufrichtige Bürger, die ihre Gesellschaft verändern wollten, die aufmuckten und über SLOMR gegen das totalitäre System ankämpften, scheiterten in ihrem Aufruhr. Der Weg zur politischen und individuellen Freiheit ist mit bekannten und unbekannten Opfern gepflastert. Das macht den tragischen Zug dieser - nicht nur in eigener Sache beschriebenen - Protestbewegung aus.
Das ZK der RKP - Machzentrale der Kommunisten Ceausescus
Symphonie der Freiheit
Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur
Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung
in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,
Dettelbach 2008, 418 Seiten, Leseprobe,
Foto: Carl Gibson
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